Plattensalon


Zwischen Kaffee und Straße

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PORTRAITS

Erst Hund, dann Bier: An erster Stelle steht Chayenne

19th Mrz '17

Danny („Dänni“) steht mir in seiner schwarzen Bomberjacke gegenüber und grinst. Seine Haare sind hinten zu einem Zopf gebunden. Er trägt einen Nasenring und hält eine halb leere Flasche Bier in der Hand. Seine Laune ist bestens. Er scheint mit sich selbst und der Welt im Reinen zu sein, obwohl er schon über drei Jahre OFW ist: ohne festen Wohnsitz.
„Wie kam es dazu, dass du auf der Straße gelandet bist?“ frage ich.
Seine Ex-Frau ist daran schuld. Zumindest ist das Dannys Variante der Geschichte.

„Ich war 2009 noch verheiratet und meiner damaligen Frau kam dann in den Sinn, mich in einem Hotel unterzubringen, mich raus zu schmeißen und am 16.03.2013 sind wir dann geschieden worden. Und seitdem liege ich, auf Deutsch gesagt, auf der Straße.“

Dann sah es kurze Zeit besser aus für Danny: „Ich habe 2013 im November eine nette Frau kennengelernt. Die ist mir jetzt letztes Jahr leider verstorben, kurz vor der Hochzeit. Und so saß ich wieder auf der Straße.“

Dannys Verlobte hatte zwar eine Wohnung, aber in der konnte er nicht bleiben.

„Weil der liebe Vermieter gemeint hat, da ich nicht angemeldet war und so weiter, habe ich keine Rechte, da die Wohnung weiter zu nutzen, obwohl ich sämtliche Papiere hatte.“

Danny schaltete das Liegenschaftsamt und die SWSG (Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft mbH) ein. Obwohl er schon eine Mietzusage vom Jobcenter hatte, musste er drei Monate nach dem Tod seiner Verlobten aus der Wohnung ausziehen.

„Ehrlichgesagt, es gibt wirklich so Korinthenkacker auf den Ämtern, die gehören da eigentlich nicht hin“ sagt Danny und nimmt einen Schluck Bier.

Ich frage ihn, wo er momentan übernachtet.

„Wenn es richtig arsch kalt wird, kann ich zu einem Kumpel, der hat eine Pritsche für mich aber ansonsten bin ich eigentlich draußen.“

„Das heißt dann einfach mit Schlafsack und Isomatte?“

„Mit Schlafsack, Isomatte, Kocher. Also das volle Gerödel.“

„Und ist das schlimm für dich oder siehst du das eher gelassen?“

„Sagen wir mal so, ich bin ein moderner MacGyver. Ich sehe es als Camping-Urlaub an. Also von daher gesehen…“

Er wirkt nicht unzufrieden, geschweige denn verzweifelt.

Woran das liegt?

„Ganz einfach. Die meisten, die haben jetzt schon keine Kohle mehr. Ich mache mir über das ganze Thema überhaupt keinen Kopf.“

Zwar versaufe er wie alle anderen sein Geld, aber er habe Reserven. Und eine klare Regel:

„Bevor ich hier ein Bier trinke, kommt erstmal mein Hund. Das ist mein Heiligtum.“ Dannys Hund ist eine schwarze Labradorhündin und heißt Chayenne. Sie weicht ihm nicht von der Seite und gehorcht aufs Wort.

Leider ist es mit Hund noch schwieriger, eine Wohnung zu finden. „Ich habe jetzt zwar ein Wohnungsangebot gehabt, angekuckt. Frage ich: Tierhaltung? Sagt die Vermieterin: Kein Problem, wollen Sie sich eine Katze zulegen? Dann habe ich erstmal gegrinst. Habe einen Labrador. Is nich. Also weiterhin auf der Straße.“

Für Chayennes Futter gibt er rund 40 Euro aus pro Monat.
Seine eigene Verpflegung besorgt er sich häufig kostenlos auf dem Wochenmarkt.
„Wenn ich dann auf dem Markt bin, gehe ich auch bei den Metzgerständen vorbei und frage: Habt ihr noch was? Oder: Tschuldigung, kurz ne Frage. Bin OFW. Habt ihr vielleicht was über, das ihr am nächsten Tag nicht mehr verkaufen könnt?“

Meistens hat Danny Glück. Es komme aber vor allem darauf an, wie man auftritt und dass man höflich fragt.
Der Mann in der Bomberjacke ist mittlerweile Profi wenn es um das Leben und Überleben auf der Straße geht.
„Wenn du schon auf der Straße bist, dann lernst du was fürs Leben und vom Leben. Aber die meisten können es nicht umsetzen.“
Menschen, die zum ersten Mal auf der Straße leben, vergleicht Danny mit Babys in Pampers.

Einen typischen Fehler, den diese Frischlinge machen: „Die hören nicht zu.“
Zum Beispiel, wenn es um ein altes Straßengesetz geht: Verrate nie deine Platte.

„Untereinander gibt es normalerweise einen Ehrenkodex“ sagt Danny. „Untereinander wird nicht geklaut. Wir passen gegenseitig auf uns auf aber wo du Platte machst, ob Freund oder Feind, ist nicht preiszugeben.“

In den ersten Wochen der Obdachlosigkeit geht es laut Danny darum, von den anderen Wohnungslosen zu lernen.

„Zum Beispiel Wurst besorgen, Essen besorgen für umsonst. Ich kann‘s. Denn ich hab aufgepasst und zugehört. Weil man weiß ja nie, ob man es braucht.“

„Und gibst du dein Wissen auch weiter?“

„Ja, klar. Du darfst alles sein, nur nicht doof.“

Am Ende unseres Gesprächs bittet Danny mich, meinem Blogeintrag einen Aufruf hinzuzufügen, was ich hiermit tue:

Bitte meldet euch, wenn ihr eine feste Bleibe für Danny und Chayenne habt!
Das wäre auch für mich eine große Freude, denn er hat versprochen, für mich zu kochen, sobald er wieder eine Wohnung hat. Sogar extra vegetarisch.