Plattensalon


Zwischen Kaffee und Straße

Kategorien


Plattensalon

/ 2

PORTRAITS

Luzifers Laster

12th Apr '17

Er trägt einen buschigen, grauen Vollbart in dem man letzte braune Strähnen findet. Seine Jacke ist schwarz und man sieht ihr an, dass er sie häufig trägt. Auch seine Hose ist schwarz. Über seiner rechten Schulter hängt eine beige Baumwolltasche.
Mir gegenüber steht ein mittelgroßer Mann der nicht möchte, dass ich in meinem Blogeintrag seinen richtigen Namen erwähne.
„Du kannst mich ja Luzifer nennen. So heißt mein Kater“, sagt er und lacht. Ich erfülle ihm hiermit seinen Wunsch.
Luzifer ist gelernter Maler und 54 Jahre alt.
Dem Beruf, den er gelernt hat, geht er jedoch zurzeit nicht nach.
Er ist momentan für einen Euro pro Stunde bei der Bahn angestellt. Genauer gesagt: Er kontrolliert für die ÖNPV Fahrkartenautomaten in und um Stuttgart.
Vor seinem 1-Euro-Job sei er arbeitslos gewesen, erzählt Luzifer. Er sei zufrieden mit dem, was er jetzt hat. „Ich stehe auch für einen Euro auf morgens. Nicht so wie andere hier.“ Mit den „anderen“ meint er einige Besucher des Café 72. Diese haben auch mir schon erklärt, dass sie unter 8,50 Euro pro Stunde nicht arbeiten und lieber Hartz IV beziehen, als sich für umsonst die Hände blutig zu arbeiten.
Luzifer sieht die Sache anders:

„Ich bin froh, dass ich jetzt wieder eine Arbeit habe. Andere sagen ‚Du bist schön blöd, dass du so früh aufstehst‘.“

Jeden Morgen macht er sich etwa um halb Sieben auf zur Arbeit. Mittags isst er im Café 72, unterhält sich ein wenig und trinkt einen Kaffee. Lange bleibt er meistens nicht, denn ihm gefällt der übermäßige Alkoholkonsum anderer Gäste nicht besonders.
„Von Dezember bis März ist Alkoholverbot im Café 72“, erklärt Luzifer mir. Seiner Meinung nach wäre es allerdings besser, es bestünde ein ganzjähriges Alkoholverbot im und um die Tagesstätte.
Ich wende ein, dass viele Gäste Alkoholprobleme haben und mir gegenüber erwähnten, dass sie ohne Alkohol ihr Leben nicht ertragen könnten.
„Ich trinke auch keinen Alkohol und kann meinen Alltag ertragen“, sagt Luzifer und winkt ab. Alkoholismus musste er beim eigenen Vater mit ansehen. Er selbst möchte auf keinen Fall der selben Sucht erliegen. Seinen Erfahrungen nach kommt man nur sehr schwer wieder davon weg. Die Leute in seinem Bekanntenkreis, die eine Therapie gemacht haben, sind alle wieder rückfällig geworden.

„ Der eine war in Therapie, war vier Wochen trocken. Bei einem Fußballspiel hat er dann eine Flasche Bier bekommen. Er trinkt einen Schluck und wird wieder rückfällig.“

Luzifer verzichtet zwar auf Alkohol, hat aber dafür zwei andere Laster.
„Ich rauche und trinke Cola.“
„Cola trinken ist doch kein Laster“, sage ich.
„Doch!“ Er lacht. „Wenn man so viel trinkt wie ich, dann schon“.
„Wie wäre es mit Wasser trinken?“, schlage ich vor.
Er schüttelt den Kopf und lacht.
Dann erzählt er mir von seinem Hobby, der Bauernmalerei. Er bringt mir einen seiner bemalten Teller mit und wird kurzzeitig zum Kunst-Star im Café 72. Jeder will mal schauen, einige wollen ihm den Teller sogar abkaufen. Doch die vorgeschlagenen Preise sind Luzifer zu niedrig.

„Ich kann den Teller nicht für fünf Euro verkaufen. Unbemalt hat er schon 10 Euro gekostet. Wenn ich dann noch die Arbeit und Materialkosten drauf rechne….“

Er würde seine bemalten Teller und Brettchen gerne auf Kunstmärkten verkaufen, doch die Standgebühren sind meist zu hoch.
„Das kann ich mir nicht leisten. Und ich weiß ja auch gar nicht, ob es sich lohnen würde und ob ich die Standgebühren dann wieder drin hätte.“ Also verschenkt Luzifer ab und an eines seiner Werke. An mich zum Beispiel. Ich bin nun stolze Besitzerin eines bemalten Drehtellers und einer bemalten Dose.

Heute hat Luzifer Geburtstag. Wir haben uns im Park getroffen, Kuchen gegessen und – natürlich – Cola getrunken.